Individualisiertes Lernen mit digitalen Werkzeugen - Wie kann der Einsatz von KI im Klassenzimmer gelingen?

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Künstliche Intelligenz (KI) ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. In der Schule kann KI genutzt werden, um den Unterricht adaptiver zu gestalten. Sie kann dabei sowohl ein explizites Lernziel darstellen als auch als Lernmethode das Erreichen anderer Lernziele unterstützen. Für Lehrkräfte ist es entscheidend, die Potenziale von KI effektiv und verantwortungsvoll im Klassenzimmer zu nutzen.

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Worum geht es?

Individualisiertes Lernen ist seit vielen Jahrhunderten ein Ziel pädagogischer Forschung und Praxis. Mithilfe von Unterstützung durch digitale Systeme (z.B. Lernverlaufsdiagnostik oder Intelligent Tutoring Systems) ist die Verwirklichung dieses Ziels aktuell machbarer denn je.

In der heutigen digitalen Welt gewinnt individualisiertes Lernen, das auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes eingeht, verstärkt an Bedeutung und wird zunehmend als Schlüssel zum erfolgreichen Lernen erkannt. Weit verbreitete Lehrmethoden, wie z.B. der Frontalunterricht einer Lehrkraft vor mindestens 20 Schüler*innen, stoßen dann an ihre Grenzen, wenn es darum geht, den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und -geschwindigkeiten innerhalb der Klasse gerecht zu werden. 

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Klassenzimmer bietet neue Möglichkeiten, um den Lernprozess an die Bedürfnisse jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin anzupassen. Durch digitale Werkzeuge können Lehrkräfte auf die Lernenden angepasste Lerninhalte bereitstellen und gezielte Unterstützung anbieten. Darüber hinaus können KI-gestützte Anwendungen interaktive und ansprechende Lernumgebungen fördern. Sie ermöglichen es Schüler*innen, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und selbstständige Lösungen zu erarbeiten. Dies stärkt nicht nur ihr Selbstbewusstsein, sondern fördert auch ihre Eigenverantwortung im Lernprozess.

ITS, LLM, KI - Was sagt die Forschung?

Mit dem Einsatz von KI-Systemen im Bildungsbereich beschäftigen sich Forschende schon seit mehreren Jahrzehnten.1 Der Fokus lag dabei insbesondere auf Intelligent Tutoring Systems (ITS): Das sind computerbasierte Lernumgebungen, die z.B. adaptiv Aufgaben auf Schüler*innen zuschneiden und Hinweise und Feedback zur Bearbeitung liefern können.2 KI wird in ITS genutzt, um Modelle relevanter Merkmale der Lernenden zu erstellen, mit denen dann das Lernangebot flexibel auf die individuellen Lernenden angepasst wird3 – so trägt sie zur Adaptivität bei.

ITS können Schüler*innen beim Lernen gut unterstützen, das zeigt eine Vielzahl an bisherigen Studien. So ergab eine Metaanalyse von Ma et al. (2014) auf Basis von 107 Einzelstudien, dass ITS im Vergleich zu regulärem Unterricht zu besseren Leistungen führen. Das gilt auch für Grundschulkinder: ITS haben einen moderaten, positiven Effekt (g = .42) auf das Lernen. Gegenüber einer 1-zu-1-Betreuung oder Kleingruppenunterricht können ITS durchaus mithalten – die Wirkung auf die Leistung Lernender ist ähnlich hoch. Diese positiven Effekte lassen sich darauf zurückführen, dass die Lerninhalte in solchen Lernsettings stärker adaptiv an die einzelnen Schüler*innen angepasst werden.4

Abbildung Lineal

In jüngerer Vergangenheit denkt man beim Stichwort Künstliche Intelligenz insbesondere an generative KI bzw. Large Language Models (LLM) wie z.B. ChatGPT. Solche Anwendungen bieten auch in Schule und Unterricht vielfältige weitere Einsatzmöglichkeiten für individualisiertes Lernen. Während ITS schon gut erforscht sind, gibt es zum Einsatz generativer KI (LLM) im Klassenzimmer bisher allerdings noch keine robusten Befunde. Das liegt u.a. daran, dass Forschungs- und Peer-Review-Prozesse verglichen mit der Entwicklungsgeschwindigkeit von KI-Technologien sehr langwierig sind.

Heterogentität im Fokus

Auch wenn ITS grundsätzlich allen Schüler*innen nützen können, gibt es Hinweise darauf, dass leistungsstärkere Schüler*innen möglicherweise stärker profitieren als leistungsschwächere. Die Leistungsheterogenität einer Klasse könnte sich durch den Einsatz also verstärken.2

Was bedeutet das für Sie als Lehrkraft und was kann ich tun?

Durch den Mangel an belastbaren Befunden zu LLMs im Klassenzimmer ist es der Praxis nicht möglich, sich auf explizit wissenschaftlich fundierte Systeme zu stützen. Bei der Auswahl und dem Einsatz von Systemen bzw. Programmen müssen sich Lehrkräfte daher auf ihr pädagogisches Wissen und/oder Erfahrungen von Kolleg*innen berufen.

Gleichzeitig bietet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz als Bestandteil der Medienkompetenz weitreichende Chancen für die schulische Bildung. Dabei fungiert Künstliche Intelligenz sowohl als Hilfsmittel als auch als Lernziel. Das Verständnis und der kompetente Umgang mit KI erlauben es den Schüler*innen, in einer zunehmend digitalen Welt nicht nur Konsument*innen, sondern aktive und kritische Gestalter*innen zu sein.

Grundvoraussetzung hierfür ist die entsprechende technische Ausstattung der Grundschulen z.B. mit Laptops, Tablets und Smartboards sowie ein funktionierendes, flächendeckendes WLAN.

Einsatzmöglichkeiten im Klassenzimmer

Die Integration von Künstlicher Intelligenz in den schulischen Alltag eröffnet Lehrkräften vielfältige Möglichkeiten, ihren Unterricht effizienter zu gestalten und den Lernprozess flexibler auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen abzustimmen.

Trotz generell positiver Befunde bezüglich der Wirkung von ITS auf die Lernleistung von Grundschüler*innen scheint deren Einsatz in Deutschland bisher kaum verbreitet. Allerdings unterstützen verschiedene andere KI-gestützte Anwendungen wie etwa Tools zur Erstellung von Bildern, ein „Promptlabor“, Korrekturhilfen sowie Programme zur Erstellung von Arbeitsblättern Lehrkräfte dabei, Unterrichtsmaterialien schneller zu erstellen und an unterschiedliche Lernniveaus anzupassen. Mithilfe dieser Systeme lassen sich beispielsweise Lesetexte oder Aufgabenstellungen im Deutschunterricht gezielt auf das Leistungsniveau der Lernenden zuschneiden, was eine differenzierte Förderung ermöglicht.

Auch bei der Planung von Unterrichtsstunden kann KI gezielt unterstützen und beispielsweise konkrete Inspirationen bzw.  Ideen für fast alle Fächer im Grundschulunterricht liefern. Ob es darum geht, kreative Schreibaufgaben zu entwickeln, neue Wege der Wissensvermittlung zu finden oder Projekte interdisziplinär zu gestalten – KI bietet vielfältige Möglichkeiten, den Unterricht zu bereichern und flexibel auf die Bedürfnisse der Klasse einzugehen. Lehrkräfte können durch gezielte Prompts Ideen für den Unterricht abrufen, wie etwa:

  • „Erstelle eine Unterrichtsstunde zum Thema Wetter für die 3. Klasse mit einer interaktiven Gruppenaktivität.“
  • „Gib mir eine kreative Idee für eine Kunststunde, bei der die Kinder lernen, Landschaften zu zeichnen.“
  • „Wie kann ich das Thema Römer spannend und altersgerecht im Sachunterricht in der 4. Klasse behandeln?“

Um den Einsatz von KI im Unterricht praxisnah und gezielt zu erproben, bietet sich insbesondere die ritualisierte Schreibzeit an. In einer vierten Klasse wurde der Einsatz von LLMs wie beispielsweise ChatGPT erprobt. Die Schüler*innen nutzten diese Werkzeuge zur Ideensammlung, zur Inspiration und zur Unterstützung bei der eigenen Textproduktion.

Weitere Einsatzmöglichkeiten

Fazit

Besonders im schulischen Alltag eröffnen KI-gestützte Anwendungen wie ITS oder LLMs neue Möglichkeiten, den Unterricht flexibler und zielgerichteter auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen anzupassen. Lehrkräfte sollten diese Chancen nutzen.

Literatur

  1. Zawacki-Richter, O., Marín, V. I., Bond, M. & Gouverneur, F. (2019). Systematic review of research on artificial intelligence applications in higher education - where are the educators? International Journal of Educational Technology in Higher Education, 16(39). https://doi.org/10.1186/s41239-019-0171-0
  2. Steenbergen-Hu, S. & Cooper, H. (2013). A meta-analysis of the effectiveness of intelligent tutoring systems on K–12 students’ mathematical learning. Journal of Educational Psychology, 105(4), 970–987. https://doi.org/10.1037/a0032447
  3. Ma, W., Adesope, O. O., Nesbit, J. C. & Liu, Q. (2014). Intelligent tutoring systems and learning outcomes: A meta-analysis. Journal of Educational Psychology, 106(4), 901–918. https://doi.org/10.1037/a0037123
  4. Scheiter, K. (2021). Lernen und Lehren mit digitalen Medien: Eine Standortbestimmung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 24(5), 1039–1060. https://doi.org/10.1007/s11618-021-01047-y

Autor*innen

  • Caroline J. Scherer | Bildungsforschung
  • Lena Hoffmann | Grundschullehrkraft
  • Johannes Wolz | Grundschullehrkraft
  • Dr. Leonard Tetzlaff | Bildungsforschung
  • Dr. Sascha Vogel | Wissenschaftskommunikation

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